Privater Lebenslauf
Hilla Jablonsky: geb. 17.9.1922,
gest. 5.8.2019
Hilla Jablonsky, geborene Schotten, wird
1922 in Dudweiler/Saar als Älteste von
sechs Geschwistern geboren. Sie wächst
in Plön, Schleswig Holstein, auf. Der
Vater ist Dipl. Landwirt, die Mutter arbeitet
als Bankprokuristin. 1942 heiratet sie den
Korvettenkapitän Hans Kaschner und
bekommt einen Sohn. Im Sommer 1943
ertrinkt Hans Kaschner beim Untergang
seines U-Boots im Indischen Ozean. Sie
schlägt sich mit Übersetzungsarbeiten
durch.
In den 50er Jahren beginnt sie eine
mehrjährige Werkstattausbildung in Plön
bei Alexej von Assaulenko, einem
Hilla und Walther Jablonsky
(Foto: Klaus Schreiber)
ukrainischen Landschafts- und Portrait-
maler. 1963 heiratet sie den wesentlich
jüngeren Marineoffzier und späteren
Kapitän zur See Walter Jablonsky.
Er zeigt von Anfang an ein beeindrucken-
des Verständnis für Höhen und Tiefen
ihrer komplexen Künstlerpersönlichkeit.
Mit ihm führt sie das typische Leben einer
„Marinefrau“. Es ist geprägt durch
zahllose Umzüge, die für sie immer
wieder zu schmerzlichen Karriereein-
brüchen führen. Das Paar lebt in
Bremerhaven, Wilhelmshaven, Neustadt,
Bonn, München, Bonn, Brüssel und
wieder Bonn. Parallel entwickelt sie eine
tiefe Zuneigung zur Küstenlandschaft.
Himmel, Wasser, Deich und Watt
spiegeln sich in ihren Bildern. 1965 -1967
nimmt sie in Bremerhaven Unterricht bei
Cameron Hoover, einem amerikanischen
Künstler des abstrakten
Expressionismus. Ab 1967 macht sie
erste Ausstellungen, darunter auch eine
Einzelausstellung in Wien im Palais
Palffy. Dort hält sie sich mehrere Wochen
auf und lernt den sie hoch
beeindruckenden Maler, Dichter,
Schauspieler und Kunsthistoriker Albert
Paris Gütersloh näher kennen. 1967 trifft
sie in Wilhelmshaven auf den Fotografen
Klaus Schreiber.
Er betrachtet die Küste mit ähnlichem
Blick wie die Künstlerin. Schreiber
fotografiert und Jablonsky malt, performt
und schreibt erste lyrische Texte zu
Familie Jablonsky (Foto: privat)
seinen Bildern. Über fast ein halbes
Jahrhundert hält er ihr rastloses Schaffen
in seinen Fotos fest. 1968 - 1973
unterzieht sie sich der weiteren
Ausbildung in Varel bei Franz Radziwill,
dem Maler des magischen Realismus. Er
ist ein strenger Lehrmeister, der ihr immer
wieder die in seinen Augen naturgegebe-
ne Minderwertigkeit weiblicher Künstler
vorhält. Hier liegt sicherlich eine der
wesentlichen Wurzeln für ihr später
engagiertes, leidenschaftliches Eintreten
für die Rechte der Frau in der Kunst.
1989 zieht sie zum 3. Mal in das vertraute
Bonn. Sie kann auf alte Kontakte
aufbauen und erfährt hilfreiche Unter-
stützung in der Arbeitsorganisation durch
ihre alte Weggefährtin Reinhild Jacobsen
aus Wilhelmshaven, die inzwischen auch
in Bonn lebt. Zunehmend emanzipiert sie
sich von ihren Lehrmeistern. Neben den
frühen Kreidebildern von Meer,
Landschaft und Industrie malt sie
Portraits von Personen mit lilablauen
Gesichtern – den rasselosen
Menschen.Sie macht Malaktionen und
Performances. Abstrakter
Expressionismus und Informel werden
zwangsläufig zu der ihrem spontanen
Temperament entsprechenden
Ausdrucksform.
In Serien erfindet sie ihre Bilder mit Sand
und Tee, in die sie lyrische Texte schreibt.
Ihre Besucher fordert sie immer wieder
auf zu den Bildern Stellung zu beziehen.
Sie weigert sich sie zu interpretieren: „Ich
will die Phantasie der Menschen nicht
besetzen!“
Jablonsky hat an der Premiereausstel-
lung des weltweit ersten Frauenmuseums
teilgenommen, arbeitet als Jurorin, hält
Vorträge und Einführungen für andere
Künstler, illustriert Bücher und verfaßt
mehrere Lyrikbände. Bis ins hohe Alter
bleibt ihr die Fähigkeit erhalten ihrem
Denken und Fühlen gestalterisch Form
zu geben. Sie erhält 1989 den Theodor
Simon Kunstpreis der Gedok und 1999
die August Macke Medaille der Stadt
Bonn. 2011 zeichnen sie die Ministerin-
nen a.D. Prof. Dr. Ursula Lehr und Prof.
Dr. Süssmuth als Preisträgerin der
Initiative Deutschland – Land des langen
Lebens aus.
Erotische Anspielungen demonstrieren
ihren feministischen Anspruch.
Über die Jahre entwickelt sie eine sehr
persönliche Affinität nicht nur zur
Leinwand sondern auch zu Gewebe an
sich.
Sich kreuzende Fäden werden zu
aufgeklebtem Gewebtem, zu Netzen,
gesprühten Gittern und reduzieren sich
zu großen gemalten Kreuzen,
die wie bodenlose Außerirdische mit
ausgebreiteten Armen über die Lein-
wand schweben.
Ihre Aussage, ob positiv oder negativ
liegt dabei im Auge des Betrachters.
Reinhild Jacobsen